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„Aktenzeichen XY“ zeigt Berliner Cold Case: Wer weiß etwas über den Mord an Reiner Koch vor über 50 Jahren?
52 Jahre ist der Mord an einem Zwölfjährigen her. Jetzt rollt die Staatsanwaltschaft den Fall Reiner Koch neu auf – und gibt neue Details preis. Gesucht werden Zeugen und Hinweise, die zur Aufklärung beitragen können.
Stand:
Mehr als 50 Jahre nach dem Tod des zwölfjährigen Reiner Koch hat die Berliner Staatsanwaltschaft den Fall erneut aufgerollt und eine Belohnung von bis zu 5000 Euro für Hinweise ausgelobt. Der Mordfall aus dem Jahr 1973 wurde am heutigen Mittwoch um 20.15 Uhr in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY – Ungelöst“ vorgestellt.
Reiner Koch, ein schüchterner und sensibler Junge, war am 16. Januar 1973 auf dem Heimweg von seinem Fußballtraining beim Verein Tasmania 1900 in Neukölln verschwunden. Zwei Tage später wurde seine Leiche auf dem Gehweg der damaligen Stadionallee, der heutigen Jesse-Owens-Allee, vor dem Olympiastadion in Charlottenburg entdeckt. Am 19. Januar 1973 fanden Passanten die Kleidung des Kindes, verpackt in Plastiktüten, auf der Fahrbahn vor einem Grundstück in der Mohriner Allee in Britz. Der Junge lebte mit seiner Familie in der Altenbraker Straße 3 in Neukölln.
Was aus der Sendung „Aktenzeichen XY“ bekannt ist
In der Sendung am Mittwoch wird mehr über die Hintergründe von Reiner, seiner Familie und den Umständen am Abend des Verschwindens bekannt. Reiner war das jüngste von fünf Kindern, die Mutter arbeitete als Reinigungskraft, meist bis spät in die Nacht. Der Vater war am Tatabend in einer Kneipe in der Nähe. Reiner kam öfter in das Lokal, um den Wohnungsschlüssel zu holen oder seinem Vater zu geben – so auch an diesem Abend. Er bittet seinen Vater am 16. Januar kurz vor dem Fußballtraining um eine Tüte Chips. Auch ein unbekannter Mann in der Kneipe schenkt ihm daraufhin eine Tüte. Bis heute ist nicht klar, wer dieser Mann war.
Während des Trainings kommt es zu einem harmlosen Streit mit zwei Jungs aus der Mannschaft, der jedoch große Auswirkungen hat. Die Jungen gehen nach dem Training auf einem beleuchteten Weg von der Turnhalle nachhause, doch Reiner Koch ist verstimmt, will alleine sein und nimmt eine Abkürzung durch den Thomaspark. Dann verschwindet er.

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Gegen 21.30 Uhr kommt die Mutter aufgewühlt in die Kneipe und fragt den Vater, wo der gemeinsame Sohn geblieben ist. Die Eltern suchen den Weg durch den Park ab, kurz vor Mitternacht geben sie Reiner als vermisst bei der Polizei auf. Noch in der Nacht wird mit Diensthunden die Wohnumgebung abgesucht – ohne Erfolg.
Am zweiten Tag des Fehlens findet ein Polizeibeamter nach dem Dienst auf dem Weg nachhause die nackte Leiche des Jungen am Straßenrand der damaligen Stadionallee. Reiner wurde erwürgt, sein Genital ist verstümmelt. Ein Tag später wurden Polizisten auf Plastiktüten am Fahrbahnrand in Britz aufmerksam gemacht. In diesen befand sich die Kleidung des Opfers. Mit dabei war auch eine Tüte Chips.
Die Kellnerin in der Kneipe sagte der Polizei später im Rahmen der Ermittlungen, dass ein Mann namens Gerhard aus der Kneipe mit dem Vater nach dem Jungen gesucht hätte – nachdem die Eltern den Thomaspark abgelaufen hatten. Gerhard konnte nicht mehr ausfindig gemacht werden und bleibt bis heute unerkannt.
Neue Fährte seit 2024
Im Mai 2024 wurde die Kleidung von Reiner neu untersucht. Dabei wurde eine DNA-Spur gefunden, die wahrscheinlich vom Täter stammt. Im Rahmen der neuen Ermittlungen wird eine Hypothese aufgestellt: Der Täter stammt aus dem näheren Umfeld des Jungen, wohl aus der weitläufigen Nachbarschaft. Täter und Opfer kannten sich wahrscheinlich. Sie sind auf Reiners Heimweg aufeinander getroffen. Der Täter hat den Jungen vermutlich zu sich nachhause genommen, wo er sich ausziehen musste. Es soll wohl zu sexuellen Handlungen gekommen sein – und dann zum Mord.
Da die Leiche des Jungen zwei Tage nach seinem Verschwinden im rund 20 Kilometer entfernten Charlottenburg gefunden wurde – und zudem seine Kleidung gut sichtbar am Straßenrand in Britz abgelegt war – geht die Polizei davon aus, dass der Täter bewusst falsche Fährten legen wollte. Wahrscheinlich sollte so vom tatsächlichen Tatort und dem eigenen Wohnort abgelenkt werden, möglicherweise, weil sich beides in unmittelbarer Nähe zum Opfer befand.

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Zuständige Staatsanwältin will den Fall aufklären
Nach dem rekonstruierten Film zum Fall des Zwölfjährigen spricht in der Sendung die zuständige Staatsanwältin Silke van Sweringen. „Wir haben DNA, die dem Täter zuzuordnen ist“, sagt van Sweringen. „Wenn wir heute Abend Hinweise bekommen auf mögliche Tatverdächtige, dann können wir DNA-Profile vergleichen und dann den Täter überführen.“
Van Sweringen hofft, dass es Hinweise zum Täter oder Mitwisser der Tat gibt. Möglicherweise hätte sich der Täter auch jemandem anvertraut und über den Fall gesprochen. „Natürlich ist es möglich, dass der Täter nicht mehr lebt, aber die Geschwister des Toten sind immer noch sehr belastet durch die Umstände des Todes ihres kleinen Bruders.“ Der Familie könnte es Erleichterung und einen Abschluss verschaffen, wenn die Tat aufgedeckt wird.
Über 50 Jahre nach dem Mord berichten die Geschwister von Reiner, dass die Eltern über das Verbrechen nicht mehr gesprochen hätten. Die Trauer mussten sie mit sich allein ausmachen.
Ein Polizist fand das Kind
Der Tagesspiegel berichtete damals, dass der Junge erwürgt worden sei: „Weitere Anzeichen erlaubten den zweifelsfreien Schluß der Mordkommission, daß Reiner Koch Opfer eines Sexualverbrechens wurde“, hieß es in der Ausgabe vom 19. Januar 1973. Ein Polizeibeamter, der auf dem Heimweg war, habe „die völlig unbekleidete Leiche des Jungen“ an einer Laterne in der Stadionallee am Reiterstadion entdeckt. In dem Bericht wurde damals außerdem erwähnt, dass Reiner Koch 1,49 Meter groß war sowie „wesentlich jünger aussah als er war“.
In den folgenden Tagesspiegel-Ausgaben wurde immer wieder über diverse Hinweise aus der Bevölkerung berichtet, allerdings ohne, dass sich daraus „Anhaltspunkte auf einen Tatverdächtigen“ beziehungsweise „eine heiße Spur“ ergeben habe.
Die Ermittler bitten nun erneut um Hinweise von Zeuginnen und Zeugen. Gesucht werden insbesondere Personen, die am Abend des 16. Januar 1973 Beobachtungen rund um den Thomaspark, die Thomasstraße oder die Altenbraker Straße gemacht haben.
Auch Besucher der Kneipe „Thomas-Eck“ aus jener Zeit sowie Personen, die die drei Plastiktüten mit den Aufschriften „Boutique Susanne“, „Uhu“ oder „feh“ kennen, sollen sich melden.
Konkret stellt die Polizei Berlin folgende Fragen:
- Wer kann sachdienliche Hinweise geben, die zur Aufklärung der Tat führen könnten?
- Wer hat am Abend des 16. Januar 1973 nach 18.15 Uhr Beobachtungen in Neukölln im Bereich Thomaspark, Thomasstraße, Altenbrakerstraße oder den angrenzenden Straßen gemacht, die in Zusammenhang mit der Tat stehen könnten?
- Wer war 1973 Stammgast im „Thomas-Eck“ und kann sich noch an den 16. Januar 1973, den Tag des Verschwindens von Reiner Koch, erinnern?
- Wer hat in der Nacht vom 17. zum 18. Januar 1973 verdächtige Beobachtungen im Bereich der damaligen Stadionallee (heute Jesse-Owens-Allee) gemacht?
- Wer hat in der Nacht vom 18. zum 19. Januar 1973 verdächtige Beobachtungen im Bereich der Mohriner Allee in Berlin, Ortsteil Britz, gemacht?
- Wer kennt Personen, die von 1971 bis Februar 1973 die hier gezeigten beiden Plastiktüten „Boutique Susanne“ und „feh/Uhu“ in ihrem Besitz hatten?
- Wer hat die abgebildeten Kleidungsstücke im Zeitraum vom 16. bis zum 19. Januar 1973 gesehen?
Hinweise nimmt die Dienststelle für Cold Cases des Landeskriminalamts Berlin unter der Telefonnummer (030) 4664-911911, per E-Mail an lka11-cc-hinweis@polizei.berlin.de, über die Internetwache oder bei jeder Polizeidienststelle entgegen.
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